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H. P. Lovecraft

Chronik des Cthulhu-Mythos I

  • Autor:H. P. Lovecraft
  • Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I
  • Serie:
  • Genre:Fantasy
  • Einband:Taschenbuch
  • Verlag:Festa Verlag
  • Datum:20 Oktober 2011
  • Preis:13,95 EUR

 
»Chronik des Cthulhu-Mythos I« von H. P. Lovecraft


Besprochen von:
 
Detlef V.
Deine Wertung:
(4.5)

 
 
Im vorliegenden ersten Band der zweiteiligen Chroniken des Cthulhu-Mythos Reihe aus dem Hause Festa, werden 11 phantastische Geschichten aus der Feder von Howard Phillips Lovecraft vorgestellt. Die bekanntesten Geschichten dürften dabei wohl Der Ruf des Cthulhu, Der Fall Charles Dexter Ward und Die Farbe aus dem All sein. Zu jeder Story gibt es eine kurze Einleitung des, wie auf dem Einband zu lesen ist, führenden Lovecraft Experten Marco Frenschkowski. Die Einleitungen sind allesamt sehr ausführlich, beinhalten jedoch auch kleinere Spoiler aufgrund dessen ich schon fast empfehle sie erst nach der eigentlichen Geschichte zu lesen. Ferner sollte man auch ein kleines Begriffslexikon parat liegen haben, denn die Ausführungen von Herrn Frenschkowski sind nicht nur sehr informativ, sondern auch geprägt von Begriffen und Fremdwörten, die ich selber erst nachschlagen musste. Der Einband und die Gestaltung des Buches sind wieder sehr gut gelungen, das Cover absolut hervorragend gestaltet und passend zur Atmosphäre die das Buch vermitteln will.

Auf diese Atmosphäre muss man sich als Leser aber auch einlassen, man kann die Werke von Lovecraft nicht mit denen heutiger Horrorautoren vergleichen. Man muss in die schaurige und geheimnisvolle Stimmung eintauchen, denn Lovecraft setzt in seinen Geschichten nicht auf blutige Schockeffekte, sondern vielmehr auf den hintergründigen Grusel. Sein Grauen ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich oder greifbar, also keine Zombies die blutrünstig durch die Gegend laufen, sondern eher im Verborgenen lauernd, bereit jederzeit auszubrechen. Seine Art Geschichten zu erzählen gleicht eher den Geschichten, die Eltern ihren Kinder erzählen – gruselig, aber nicht der blanke Horror. Lovecraft möchte das seinen Lesern der Schauer über den Rücken läuft, sie aber nicht schockieren. Zumindest erscheint mir es so.

Lovecraft bleibt oftmals etwas vage in seinen Beschreibungen des Horrors. Manchmal entpuppt sich das als Schwäche, denn wenn man nicht weiß um was es geht, kann man sich die Bedrohung auch nicht vorstellen und sich davor fürchten, oftmals aber auch als Stärke, je nachdem wie phantasievoll der einzelne Leser veranlagt ist, denn das, was sich im viel beschworenen „Kopfkino“ abspielt, kann oftmals verstörender sein als das eigentliche Grauen. Die Monster bei Lovecraft sind keine menschlichen Monster oder etwas das man mit menschlichen Sinnen erklären kann. Es sind fast ausschließlich unfassbare und unerklärliche Wesenheiten aus einer anderen Dimension, älter als wir Menschen oder sogar als die Erde selbst auf der sie wandeln. Sie können sich unter der Erde verbergen, wie etwa in der Erzählung Stadt ohne Namen. Diese Stadt kann nicht von jedem Sucher entdeckt werden, aber wehe dem der sie findet. Auch als außerirdische Bedrohung sind sie anzutreffen, so etwa in Der Flüsterer im Dunkel. Hier hat der Literaturprofessor Wilmarth eine Begegnung der besonderen Art, die ihm den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Interessanterweise versichert er dem Leser rückblickend am Anfang seines Berichtes, der in dem mysteriösen Verschwinden seines Freundes Henry Akeley gipfelt, nichts wirklich grauenhaftes gesehen zu haben. Etwas, das viele Protagonisten aus den Lovecraftschen Erzählungen so bestätigen könnten.

Als völlig anders entpuppt sich hingegen die Bedrohung aus dem Weltraum in Die Farbe aus dem All. Hier tritt das Grauen als eine Art farbiges Leuchten auf, welches in einem Meteoriten auf die Erde gelangt. Es scheint seine Opfer zu paralysieren, sie sehen die Bedrohung, sind aber unfähig etwas dagegen zu unternehmen. Der eigentliche Höhepunkt, und gleichzeitig auch die längste Erzählung, ist Der Fall Charles Dexter Ward. Hier entdeckt der namengebende Protagonist das einer seiner Vorfahren, Joseph Curwen, die biologische Unsterblichkeit erlangt hat, also keinem Alterungsprozess mehr unterworfen war. Der Preis dieser Unsterblichkeit war jedoch zu groß, die Folgen zu erschreckend. Nachdem Curwen getötet wurde begibt sich Ward auf die Spurensuche und tritt ein schrechliches Erbe an. Denn wie steht es im Necronomicon geschrieben: „That is not dead which can eternal lie, and with strange aeons even death may die.“

Lovecraft, der sich selbst als Atheist sah, spielt mit der Angst seiner Leser. Nicht der Angst vor so etwas profanem wie dem Teufel oder irgendwelchen Geistern, sondern vor einer tiefer sitzenden Angst. Der Angst vor dem unbegreiflichen und unbeschreiblichen Schrecken, der einst vor Äonen, bei der Erschaffung der Welt zugegen war und diese, aus welchen Gründen auch immer, verlassen musste und nun darauf lauert mit Gewalt wieder in die Welt der Lebenden einzudringen, um seine schreckliche Herrschaft, jenseits von Moral oder menschlichen Wertvorstellungen, anzutreten. Dieses Wesen ist als Cthulhu bekannt. Ein riesiges polypenhaftes Wesen, welches in der im Meer versunkenen Stadt R’lyeh lebt. Ob es nun der namenlose Seeman in Dagon oder der Maat Johansen in Der Ruf des Cthulhu ist, beide erleben dieses namenlose Grauen mitten auf der See, oder vielmehr auf einem eigenartigen Stück Land (wo eigentlich keines sein sollte) mitten auf See. Sie werden Zeuge eines Vorganges der ihr Leben auf ewig prägen wird und sie in den Selbstmord, den Wahnsinn oder einem frühen Tod treiben wird. Beide Geschichten sind in etwa gleich aufgebaut. Ein schönes, klassisches Szenario, denn wir Menschen erforschen zwar das Universum, lauschen dem Klang der Sterne und erleben die Geburt und den Untergang von Sonnen, aber was sich 4000 Meter tiefer in den dunklen Fluten der Weltmeere verbirgt, welche unbeschreiblichen und monströsen Kreaturen, die noch nie das Sonnenlicht erblickt haben und nur darauf warten an die Oberfläche zu gelangen, erahnen wir nicht. Mit diesen Ängsten spielt Lovecraft virtuos wie kein zweiter.

Eine weitere Schöpfung Lovecrafts ist das berühmte und fiktive Buch des verrückten Arabers Abdul Alhazred, das Necronomicon. Ihm ist gleichzeitig auch die kürzeste aller Geschichte des Buches gewidmet, Geschichte des Nekronomicons. Aber auch in vielen weiteren Storys, so zum Beispiel in Das Grauen von Dunwich, spielt dieses Buch eine große bedeutsame Rolle, dient es der Familie Whateley doch quasi als Anleitung für die Kontaktaufnahme mit dem unbekannten Schrecken. Ein Schrecken, der ebenso in der apokalyptischen Erzählung Nyarlathotep und der hervorragenden Story Die Musik des Erich Zann in unsere Welt eindringen will. Besonders letztere Geschichte wird sehr eindringlich erzählt: Paris, in einer Straße die nicht existiert muss der Violinist Erich Zann mit seiner Musik das Grauen besänftigen. Jede Nacht spielt er seine herzzerreißende Musik in seiner verschlossenen Kammer um zu verhindern das es in unsere Welt eindringt und gibt dabei jedes Mal ein Stück seiner Seele preis.

In fast allen Geschichten des vorliegenden Buches sind die einzelnen Erzählungen aus der Ich-Perspektive geschrieben. Oftmals ist der Erzähler nicht der, der die Geschichte selbst erlebt hat, sondern jemand der sie aus zweiter Hand erfahren hat und einer dritten Person (hier dem Leser) berichtet. Durch diese Art Erzählstil kommen natürlich auch keine Dialoge der einzelnen Protagonisten untereinander zustande. Man muss sich das ganze wie eine Art Zeitungsbericht vorstellen. Lovecraft bedient sich dabei einer recht blumigen Ausdrucksweise, die bisweilen auch etwas antiquiert wirkt. Das ist natürlich kein Wunder wenn man bedenkt, dass die Geschichten aus den zwanziger und dreißiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts stammen. Die Sprache erfordert daher etwas mehr Aufmerksamkeit. Auf den ersten Blick ist das gewöhnungsbedürftig, zumindest für mich. Jedoch macht die Qualität der Erzählungen das schnell vergessen. Aber dennoch bleibe ich bei dem, was ich Anfangs angeführt habe. Man muss sich auf diese Art der Erzählungen erst mal einstellen, denn, bedingt durch diesen leicht antiquierten Stil, kann man sie nur schwer mit heutigen Büchern aus dem Genre vergleichen. Wer sich dennoch darauf einläßt, bekommt einen wunderbaren Einblick in jene Geschichten, die schon unsere Großeltern begeistern konnten. Und das zurecht, wie ich finde.

Für alle Freunde der klassischen Horrorliteratur ist das vorliegende Buch ein muss – und für die, die es werden wollen ebenfalls. Nicht umsonst gilt H. P. Lovecraft als einer der Wegweiser dieses Genres, dessen Geschichten großen Einfluss auch auf spätere Schriftsteller hatten. Die komplette Aufmachung der kleinen zweiteiligen Reihe ist sehr gelungen; stellt man beide Bände nebeneinander, bildet der Buchrücken das Konterfei des Autoren ab. Daumen hoch für dieses Buch.
 


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