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Mark Hodder

Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns


 
»Der wundersame Fall des Uhrwerkmanns« von Mark Hodder


Besprochen von:
 
Detlef V.
Deine Wertung:
(4)

 
 
Mit Der wundersame Fall des Uhrwerkmannes (OT: The curious case of the clockwork man) legt der Brite Mark Hodder bereits den zweiten Band seiner Burton & Swinburne Reihe vor. Auch diesmal haben die beiden Agenten der Krone wieder einen äußerst komplizierten und weitreichenden Fall zu lösen. Da das vorliegende Buch durchaus auf seinem Vorgänger Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack aufbaut, ist es zwar nicht unbedingt zwingend notwendig, aber dennoch ratsam, die Vorgeschichte bereits zu kennen.

Mehr durch Zufall werden Burton & Swinburne im London des Jahres 1861 in einen Diamantenraub verwickelt. Einer der daran beteiligten Komplizen ist ein mechanischer Messingmann, der, um zu funktionieren, wie ein Uhrwerk aufgezogen werden muss. Der bestohlene Juwelier Mr. Brundleweed ist sich ziemlich sicher, dass er von einem Geist ausgeraubt wurde. Auf Nachfrage Burtons, erzählt Mr. Brundelweed eine eigenartige Geschichte, in die eine gewisse Familie Tichborne verwickelt ist.

Wie es der Zufall will, wird Burton kurze Zeit später vom Prämieminister Lord Palmerstone beauftragt, sich um einen Erbstreitfall zu kümmern, der zur Zeit Thema Nr. 1 in London ist. In jenem Fall geht es um den bis dato als verschollen und tot geltenden Sir Roger Tichborne, Mitglied eben jender Tichborne Familie über die Mr. Brundleweed mit Sir Burton gesprochen hatte, und der nun plötzlich in London auftaucht und das Tichborne Erbe für sich beansprucht. Offensichtlich besitzt Sir Tichborne die Gabe Menschen geistig zu beeinflussen und somit von sich zu überzeugen und für sich einzunehmen. Für die einen ist Sir Tichborne ein Schwindler der sich das Erbe widerrechtlich aneignen will, für die anderen, in der Regel Angehörige der Arbeiterklasse, ist er ein Held der unterstützt werden muss. Die Stimmung in der Stadt eskaliert, die Arbeiter und Unterprivilegierten, regelrecht von einer fremden Macht besessen und fremdgesteuert, machen mobil gegen die Bessergestellten. Es kommt zu Morden, Vandalismus und Kannibalismus. Geheimnisvolle Geisterwesen heizen die Stimmung zusätzlich an. London befindet sich im Griff einer unheimlichen Macht und versinkt im Chaos.

Was sich im ersten Buch bereits angedeutet hat, dass Spring Heeled Jack durch seine Zeitreise die uns bekannte Geschichte verändert und eine neue Zeitlinie erschaffen hat, wird von Hodder nun logisch weitergeführt und ausgebaut. Aus dem historischen und uns bekannten Umfeld, wird immer mehr eine fremde, ja fast schon alptraumhaft anmutende Welt. Eugeniker erschaffen Fortbewegungsmittel, die auf der Grundlage von gezüchteten und mutierten Rieseninsekten beruhen. Auch die Kybernetik erschafft Cyborgs wie Charles Babbage oder Isambard Kingdom Brunel, die selbst heute noch nicht vorstellbar sind. Der Steampunk Faktor tritt ebenfalls immer mehr in den Vordergrund, denn ein Großteil der Fortbewegungsmittel wird mit Dampf angetrieben.

Als ob das noch nicht reichen würde, setzt Hodder noch einen obendrauf. Die ganze Szenerie verwandelt sich in blanken Horror, wenn etwa zombiemäßig agierende Menschen, angetrieben durch Geisterwesen, London in ein wahres Schlachtfeld verwandeln und in Fressorgien verfallen. Hier ist spätestens der Punkt erreicht, wo ich dann doch nur noch den Kopf schütteln konnte. Die bis dato vorherrschende spannende und durchaus angenehm-unheimliche Stimmung kippt und wird einfach zu abgehoben und blutrünstig. Für mich ein klarer und absolut nicht wünschenswerter Schnitt in der Handlung. Hier wäre weniger mehr gewesen. Auch die endgültige Auflösung wer genau der Urheber des Ganzen ist, war für mich zu sehr an den Haaren herbeigezogen. Dieses Matrjoschka-Puppen-Prinzip (eine Puppe in der Puppe in der Puppe) hat nach meinem Dafürhalten nicht wirklich funktioniert. Was Anfangs noch wie ein banaler Kriminalfall ausschaut, entwickelt sich mit fortschreitender Dauer zu einem wahrhaft gruseligen und äußerst blutigen Fall mit übersinnlichen Einschlag.

Punkten kann das Buch jedoch eindeutig bei dem Schreibstil des Autors. Es liest sich wunderbar flüssig und mitreißend. Oder anders ausgedrückt: Es hat mir unheimlich Spaß gemacht – trotz allem. Hodder hat einen blumigen und sehr plastischen Erzählstil, seine Story ist originell und stringent. Die beiden Handlungsträger Burton & Swinburne haben Ecken und Kanten und wirken lebendig und tiefgründig. Das gleiche gilt übrigens auch für die Nebencharaktere. Hier muss besonders Herbert Spencer hervorgehoben werden, der den beiden tatkräftig zur Hand geht und einen nicht geringen Anteil an der Auflösung des Falles hat. Ebenso finden sich viele andere bereits bekannte Charaktere wieder. Der namengebende Uhrwerkmann wird leider etwas stiefmütterlich behandelt und tritt erst maßgeblich gegen Ende der Geschichte in den Vordergrund.

Wie auch im Vorgängerband vermischt Hodder reale Ereignisse und Personen mit fiktiven. Das gelingt ihm ganz gut und als Leser darf man immer gespannt sein, was er aus den uns bekannten Begebenheiten in seiner neuen Zeitlinie macht. Auch der Humor ist fester Bestandteil der Reihe. Sprechende Vögel dienen als Nachrichtenübermittler, die dem Empfänger neben der eigentlichen Nachricht noch jede Menge übler Schimpfwörter mit auf den Weg geben. Man sieht, dass die Eugenik noch keine perfekte Wissenschaft ist.

Was unterm Strich bleibt ist eine kurzweilige, jedoch teilweise recht überfrachtet und abgehoben wirkende Geschichte, die mich als Leser aber dennoch bei Laune gehalten hat. Genreübergreifend zieht Hodder alle Register und lässt seine beiden Helden in ein abgedrehtes Abenteuer starten. Die eigentliche Geschichte ist in sich abgeschlossen, der übergreifende Handlungsbogen wird in dem dritten Band Auf der Suche nach dem Augen von Naga fortgeführt. Mir hat es auf jeden Fall gut gefallen.
 


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