Reuben – ein junger Journalist, der sich selbst ein Schriftstellerleben erträumt – soll einen Artikel über ein altes, abgelegenes Herrenhaus am Rande der Klippen an der nordkalifornischen Küste verfassen. Hierbei verliebt er sich praktisch in das zum Verkauf stehende Anwesen und in die durchaus faszinierende Erbin. Als er die Nacht mit der verführerischen Dame verbringt, ändert sich sein gesamtes Leben – denn er und Marchent werden von einem Wolfwesen angegriffen und nur einer von Ihnen überlebt!

Anne Rice bietet uns mit „Das Geschenk der Wölfe“ einen Roman über Werwölfe, der einen etwas anderen Blick auf diese Wesen werfen lässt, als z.B. Stephanie Meyers Werwolfversion. Reuben, der eine ganz eigene schriftstellerische Ader in sich verbirgt und mit einer überbesorgten Mutter, die zu allem Überfluss auch noch Ärztin ist, gesegnet wurde, ändert sein bisheriges Leben nach dem Werwolfangriff von Grund auf. Er wird von seiner neuen Liebe Marchent als Alleinerbe des abgelegenen Herrenhauses eingesetzt, noch bevor diese ihren Tod findet. Er selbst verändert sich nach dem Wolfsangriff rapide. Seine Bluttests, die seine Mutter durchgeführt hatte um Tollwut rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln können nicht durchgeführt werden, da die Proben einfach verschwinden. Zudem wächst seine Stärke mit jedem Tag mehr an und er nimmt die feinsten Gerüche, wie auch die leisesten Geräusche wahr. Abends steigern sich diese Fähigkeiten enorm und schon bald verwandelt er sich in einen Werwolf, der alle Menschen, die Böses tun, mit dem Tode bestraft. Dieses Wüten bleibt den Medien und gewissen anderen Institutionen nicht verborgen, welche sich auf die Jagd nach ihm begeben. Doch was hat es mit Marchents verschwundenem Onkel und seinen langjährigen mysteriösen Freunden auf sich, die in alle Welt gereist waren und anscheinend Bücher und Artefakte aus mehreren Jahrhunderten in dem Herrenhaus verborgen hielten? Können sie Reuben helfen mit seinem Schicksal ins Reine zu kommen oder wird er ein Opfer der Verfolger werden, die hinter das Geheimnis der Werwölfe kommen wollen?

Der Charakter Reuben ist sehr Vielschichtig dargestellt. Einerseits erfährt man viel über seine Liebe zu seiner Familie und einiges über seine Gefühle sich selbst gegenüber. Er ist ein Mensch, der keinesfalls seinen wahren Weg gefunden hat. Dies äußert sich auch dadurch, das er sich auf Anhieb in Marchent verliebt, obwohl er eine jahrelange Partnerin an seiner Seite hat. Diese schustert er mal eben so seinem besten Kumpel zu, während er sich immer mehr zurückzieht, aber gleichzeitig in der Rolle des Werwolfs, der alle Untaten recht, aufblüht.
Besonders interessant finde ich den Denkansatz, ab wann welche Strafe gerechtfertigt ist und ob Selbstjustiz, die durch Reuben durchgeführt wird, wirklich das richtige Mittel ist. Gut finde ich ebenfalls, das Anne Rice auch auf die Angehörigen der Täter (die hier zu Opfern werden) anspielt und was diese dem Werwolf gegenüber empfinden.
Auch das Bild des Werwolfs, welches durch Anne Rice hier gezeichnet wird, ist nicht zu verachten. So haben wir keineswegs eine unberechenbar mordende Bestie vor uns, sondern ein teilweise moralisch animiertes Wesen. Auch das Werwölfe in der Lage sind, sich in verwandelter Gestalt mit Menschen zu paaren wird behandelt.

Alles in Allem bekommen wir von Anne Rice mit „Das Geschenk der Wölfe“ einen spannenden Fantasyroman um Werwölfe geboten, der neben der eigentlichen Fantasyidee auch wichtige Grundsatzfragen aufwirft, welche der Leser sich selbst beantworten muss. Ist der Tod die gerechte Strafe für einen Vergewaltiger oder sollte auch diesem die Möglichkeit sich zu Ändern gewährt werden? Darf man jemanden einfach so aus seinem Leben reißen, ohne die Gefühle seiner Angehörigen zu beachten? Ab wann ist welche Aktion gerechtfertigt? Fragen, auf die jeder für sich seine Antwort finden muss. Gerade deswegen kann ich dieses Buch mit ruhigem Gewissen weiterempfehlen. Ein Buch, dass zwar in eine etwas andere Welt entführt, aber auch gleichzeitig zum Nachdenken anregt.