Jim C. Hines
Dämon, Dämon an der Wand
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»Dämon, Dämon an der Wand« von Jim C. Hines
Trauer im Königreich Lorindar, Königin Beatrice ist gestorben. Mit Hilfe von Zauberei versucht Schnee die Seele der Königin zu retten, beschwört jedoch durch ihre Magie einen Dämon, der im Spiegel ihrer Mutter gefangen war, herauf. Dieser Dämon nimmt Besitz von Schnee und breitet sich durch Schnitte, welche die nun besessene Schnee den Menschen zufügt, scheinbar unaufhaltsam, wie ein Virus, im Königreich aus. Jeder Infizierte steht nach dem Schnitt unter dem Bann des Dämons und wird zu seinem willfährigen Helfer. Nur einer nicht, Jakob, der Sohn von Danielle und Armand. Grund genug für Schnee Jakob zu entführen und mit nach Allesandria zu nehmen um dort den Grund für diese „Immunität“ herauszufinden. Denn nicht Lorindar ist ihr eigentliches Ziel, sondern vielmehr ihr altes Königreich, denn dort hat Schnee, die ja eigentlich die rechtmäßig Erbin des Thrones war, noch diverser Rechnungen offen. Die Lage scheint aussichtslos zu sein, denn dem Dämon ist nichts und niemand gewachsen. Aber Schnee hat, kurz vor ihrer Übernahme durch den Dämon, noch eine kleine Hintertür geöffnet mit deren Hilfe ein gütliches Ende herbeigeführt werden kann. Sie hat einen Teil ihrer Selbst abgespalten und durch Magie eine „Schwester“ erschaffen. Gerta, so ihr Name, besitzt nicht nur einen menschlichen Körper, sondern auch einen Teil von Schnees Erinnerungen. Mit Hilfe dieser, hoffen Danielle und Talia nun dem Dämon Einhalt gebieten und ihn vernichten zu können.
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Eine Warnung vorweg, diese Bewertung enthält ein paar Spoiler. Wer also das Buch noch lesen möchte, sollte das hier mit Vorsicht genießen. Aber ohne den Spoiler wäre die Bewertung nicht besonders sinnvoll.
Also, mit Verlaub, aber was ist das für ein ausgesprochen dämliches Ende für solch eine tolle, interessante und unterhaltsame Reihe? Wie kann ein Autor es fertig bringen, eine Figur, die mit solch einer Liebe zum Detail geschaffen wurde, einfach so, völlig ohne Not, abzuservieren und dann auch noch ernsthaft mit dem Gedanken spielen, die Reihe fortzusetzen? Auch wenn Gerta ja irgendwie Schnee ist, wäre die Reihe nicht mehr so, wie sie mal war.
Das ganze Drama hat sich schon abgezeichnet als Gerta zum ersten Mal die Bühne betrat. Konnte man als Leser noch die Hoffnung haben das sich beide, also Schnee und Gerta, zum Schluss irgendwie wieder vereinen und zu einer Person verschmelzen, so zerstört Hines diese Hoffnung brutal, rücksichtslos und völlig ohne Not. Und das Schlimme daran ist, dass ich gar nicht weiß oder nachvollziehen kann warum das so ist. Ausgerechnet Schnee, die schnuckeligste und süßeste von allen. Ich fass es einfach nicht! Das ist wie ein Tritt in die Kronjuwelen, ein Schlag unter die Gürtellinie. Schande auf Hines und seine Nachkommen bis ins zwölfte Glied.
So, dem Kummer ist Genüge getan. Widmen wir uns nun dem Buch und der eigentlichen Geschichte. Diese ist, von allen Bänden rund um die Todesengel Reihe (dämlicher Name), wohl der spannendste und beste (trotz allem). Die Bedrohung die Hines hier aufbaut ist auf den ersten Blick wohl umfassend und unüberwindlich. Wie ein Virus verbreitet sich die Besessenheit nicht nur in Lorindar, sondern auch in Allesandria. Jeder Infizierte wird gleichzeitig auch Infizierender und schon ein kleiner Schnitt reicht aus, um das Opfer ebenfalls zu verwandeln. Allein die begrenzte Anzahl von Schnees Spiegelsplitter sorgen dafür, dass sich nicht das gesamte Königreich in ein Tollhaus verwandelt. Die einzige Hilfe für Danielle, Talia und Gerta kommt (ausgerechnet) von der verbannten Elfen Herzogin. Der Preis den sie verlangt ist sehr hoch, aber Danielle bleibt nichts anderes übrig als ihn zu zahlen. Das sie anschließend die Herzogin mit ihren eigenen Waffen schlägt, ist auch der Entwicklung geschuldet die Danielle im Verlauf der Reihe durchlebt hat. Wie alle anderen Figuren übrigens auch. Dieser Reifeprozess ist eines der Dinge, die Hines recht gut hinbekommen hat und die der Reihe als solche gut getan haben.
Es ist wieder einmal erstaunlich und toll zu lesen, wie gekonnt es Hines auch diesmal wieder geschafft hat seine Geschichte mit vielen anderen Märchen nicht nur zu verknüpfen, sondern auch zu einem großen Ganzen abzurunden. Treten am Anfang des Buches noch kurz die beiden gesuchten Hexenmörder Hänsel und Gretel auf den Plan und wird der Froschkönig mal eben schnell durch den Kakao gezogen, so wandelt sich die Geschichte in eine freie Interpretation von Hans Christian Andersens Märchen Die Schneekönigin . Auch dort zerfällt ein Spiegel, in dem das Böse wohnt, in viele tausend Splitter und zeigt den Menschen, die einen Splitter in sich tragen, die Welt in ihrer ganzen Verderbt- und Hässlichkeit. Das Mädchen Gerda macht sich darin auf, ihren infizierten Freund Kay zu finden und ihn von dem Splitter zu erlösen. Im Gegensatz zu Hines jedoch, erleben Gerda und Kay ein Happyend. Wie es sich für ein Kindermärchen gehört (Basta!).
Genau wie in seinen letzten Werken aus der Reihe, beziehen die Bücher ihren Lustig-Faktor aus den kurzen Geschehnissen am Anfang der Geschichte, ohne das diese Auswirkungen auf den Rest haben. Erst wenn diese kleinen Kapitel abgearbeitet sind, beginnt der eigentliche Plot. Und dieser ist diesmal äußerst spannend gehalten. Man erfährt nicht nur neues aus Schnees Kinder- und Jugendzeit, sondern auch von den momentan herrschenden Zuständen in Allesandria. Neben einer kleinen Schlacht zu Wasser, wird auch wieder jede Menge an Land gekämpft. Und hier kämpft jeder gegen jeden, denn die soeben Infizierten wechseln ruckzuck die Seiten und wer eben noch Verbündeter war, wird nun genau so schnell zum Feind. Viel Ruhe und Zeit zum Überlegen haben Talia und ihre Freundinnen nicht. Das Ende hingegen ist für meinen Geschmack etwas zu kurz, zu unspektakulär geworden. Der eigentliche Kampf im Eisschloss von Schnee ist zwar wieder sehr heftig, aber die Lösung als solche, wie man dem Dämon Einhalt gebietet, zu profan. Man bedenke, dass hier eine jahrhunderte alte Macht, gefangen in einem Spiegel, gegen menschlichen Zauber immun, den drei Mädchen gegenübersteht. Dieser finale Kampf braucht irgendwie auch eine bombastische Auflösung, etwas, das dem Ganzen die Krone aufsetzt. Und das ist meines Erachtens nicht ganz so gut gelungen und damit auch gleichzeitig mein einziger Kritikpunkt.
Alles in allem hat Jim C. Hines mit Dämon, Dämon an der Wand einen starken und durchwegs spannenden (aber dennoch für mich zutiefst traurigen) Abschlussband der Reihe geschrieben. Laut seinen eigenen Angaben bezeichnet er diesen jedoch als vorläufig, was durchaus die Hoffnung weckt, dass er gewillt ist die Reihe fortzusetzen. Mir würde es auf jeden Fall gefallen. Für jeden der die Drei Engel für Charlie im Märchenwald oder auch Gebrüder Grimm meets Last Action Hero (Aussage von Jim Hines) noch nicht kennt, aber auf eine spektakuläre Neuerzählung alter Märchen steht, ist die Reihe definitv zu empfehlen.