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Markus K. Korb

Amerikkan Gotik

  • Autor:Markus K. Korb
  • Titel: Amerikkan Gotik
  • Serie:
  • Genre:Horror
  • Einband:Taschenbuch
  • Verlag:Luzifer-Verlag
  • Datum:30 April 2015
  • Preis:12,99 EUR

 
»Amerikkan Gotik« von Markus K. Korb


Besprochen von:
 
Flavius
Deine Wertung:
(2.5)

 
 
Amerikkan Gotik ist eine Kurzgeschichtensammlung des deutschen Autors Markus K. Korb. Enthalten sind neun Storys von recht unterschiedlicher Qualität. Das Vorwort von Michael Dissieux, welches das Buch in ungeahnte literarische Höhen erhebt, halte ich jedoch für etwas übertrieben. Überhaupt sollte man als Leser ein gesundes Misstrauen gegenüber Vorworten oder Lobpreisungen anderer Autoren, wie sie gerne auf der Coverrückseite eines Buches abgedruckt werden, hegen. So auch hier, denn das vorliegende Buch des sehr sympathisch wirkenden Unterfranken ist zwar recht unterhaltsam, konnte mich aber nicht wirklich vom Hocker hauen.

Sind die ersten beiden Geschichten Abels Rückkehr und Foulspiel noch rein auf Schock- und Splattereffekte ausgelegt, in denen Korb aber auch keine Ekelhaftigkeit außen vor läßt, so können auch die Storys, die sich der wirklich wichtigen Themen der Sammlung angenommen haben, nämlich Rassismuss und Nationalsozialismus, nicht vollends überzeugen. Es sei auch mal dahingestellt, ob es generell eine gute Idee ist solche „schwierigen und sensiblen“ Themen unbedingt in Reih und Glied mit Zombies, menschenfressenden Alligatoren und außerirdischen Sporen zu stellen.

Aber sei es drum, Korb hat es nun einmal getan und ihnen die beiden Geschichten Entfremdung und Amerikkan Gotik gewidmet, in denen zum einen ein kleiner deutscher Einwandererjunge und zum anderen ein amerikanischer Schriftsteller die Tücken und Unwägbarkeiten von Fremdenhass zu spüren bekommen. Hier zeigt sich, dass Korb zwar ein guter Erzähler ist, die Geschichten an sich aber doch etwas blass daherkommen – alles ist zu aufgesetzt, zu plakativ. Das Eric Harper ausgerechnet von einem Farbigen gerettet wird spricht Bände. Warum hätte nicht einmal (schon fast politisch inkorrekt) ein Farbiger der Rassist sein können? Muss immer das Klischee vom dummen weißen Nazi herausgekramt werden der seine Hunde Adolf und Eva nennt?

Mit Exkurs: Prypjat Requiem verläßt Korb erstmals das amerikanische Festland und wendet sich der Tschernobyl Katastrophe zu. In der für mich besten und stimmungsvollsten Story erzählt er eine schöne Geschichte über die Spätfolgen, bzw. Auswirkungen, des schrecklichen Reaktorunfalls von 1986. Wie aus einer einfachen Suche nach einer vermißten Person eine Reise ins Finstere, Düstere, aber auch Phantastische, wird, hat mir sehr gut gefallen. Das Schicksal des Detektivs macht einen als Leser betroffen, obwohl er es selber vermutlich ganz anders empfindet.

Das Horror auch seine lustigen Seiten haben kann, zeigt die Geschichte Ho – Ho – Ho! Zu welcher Jahreszeit diese spielt, dürfte der Titel wohl verraten. Ist für uns der Weihnachtsmann ein dicker, fleischiger Kerl, so ist er nun in Korbs Geschichte um einige Pfunde leichter. Nett zu lesen, aber auch nicht sonderlich tiefgründig – was jedoch so gewollt gewesen sein dürfte, wie wohl auch die meisten Witze in der Regel nicht sonderlich tiefgründig sind.

In die gleiche Kategorie fällt für mich auch die Story Zwo, die vom Aufhänger her ähnlich aufgebaut ist wie Michael Crichtons Roman Andromeda – auch wenn die Auswirkungen gänzlich anders sind. Das ein auf die Erde zurückgestürzter Kommunikations-Satellit mehr an Bord haben könnte als aufgezeichnete Kommunikation, z. B. außerirdische Sporen, ist daher auch weder neu noch überraschend. Auch diese Geschichte liest sich wieder ganz interessant, wird aber wohl nicht länger in Erinnerung bleiben.

Einem tiefgründigeren Thema wendet sich Korb dann wieder in der Story Lost America zu. Auch diese Geschichte wirkt wieder sehr bemüht und aufgesetzt. Wie Korb in seinem Nachwort selber schreibt, wollte er sich den düsteren Seiten Amerikas zuwenden. Zu dieser Seite gehört auch der „Genozid an den Indianern“. So ist es nicht verwunderlich, dass in dieser Story eben jener Genozid behandelt wird. Die Story ist banal, das Ende irgendwie hingeklatscht und völlig deplaziert. Was mag Korb sich dabei gedacht haben? Etwa „Jetzt noch schnell eine Geschichte über die Indianer mit reinpacken“ oder vielleicht „Wie packe ich zwanghaft noch den Genozid mit in die Storysammlung rein“? Ich weiß es nicht, will es auch nicht wissen. Anstelle der toten Indianer kann man auch wahlweise Cortes’ niedergemeuchelte Azteken, die in den Gaskammern ermordeten Juden oder die von der Inquisition zu Tode gefolterten „Ungläubigen“ setzen. Die Story ist einfach zu beliebig, die Identität der Toten zu austauschbar.

Die letzte und wirklich lesenswerte Geschichte ist Candyman Jack. Die Erzählung erinnert stark an Geschichten von Stephen King, ist atmosphärisch sehr dicht und spielt gekonnt mit der Angst vor dem Unbekannten. Auch der Schauplatz des Geschehens, ein Weizenfeld mit einer Vogelscheuche (das weckt Erinnerungen an diverse Filme) , ist gut gewählt. Bis zur letzten Seite hat mich die Geschichte wirklich gut unterhalten. Dann begeht Korb für mich den Fehler, wie auch schon bei Entfremdung, der Geschichte noch einen oben drauf setzen zu wollen. Dieses Schema –Unhold ist vermeintlich tot, ist es dann aber doch nicht-, ist zwar sehr häufig in Horrorfilmen anzutreffen, hat mir aber noch nie wirklich gut gefallen. Hier auch nicht. Die letzten Worte der Geschichte könnten auch eine Hommage an Rotkäppchen sein.

Tja, was bleibt hängen?
Korb entpuppt sich für mich zwar als guter Erzähler, der durchaus stimmungvolle Szenarien kreieren kann, der es für mich in dem vorliegenden Buch aber gleichzeitig nicht geschafft hat einen wirklich anspruchsvollen Plot zu liefern oder gar seinen eigenen Ansprüchen, im Nachwort nachzulesen, gerecht zu werden. Er will den Finger in die Wunde legen und zwar da, wo es wehtut. Aber in welcher Story passiert das und vor allen Dingen mit Nachhaltigkeit? Korb reißt die Thematik nur an, verpackt in eine nette Geschichte und gewürzt mit einer Prise des Düsteren. Aber genau so schnell taucht er auch wieder daraus hervor. Er legt den Finger eben nicht in die Wunde, sondern schaut sie sich statt dessen aus sicherer Entfernung an. Ihm reicht offensichtlich ein "Hauptsache wir haben mal kurz darüber gesprochen" aus. Ein Autor muss sich auch an dem messen lassen, was er seinem Leser verspricht. Und hier hat Korb für mich ein klares Defizit. Wäre sein Intention gewesen ein düsteres Buch zu schreiben, hätte ich es aus einem anderen Blickwinkel gelesen und mein Urteil wäre vermutlich etwas wohlwollender ausgefallen.

Und wieder stelle ich die Frage, ob es sinnvoll ist solche Ansprüche zu formulieren und sie dann in einem Buch mit Geschichten über einen Weihnachtsmann der im Schornstein hängen bleibt, mit einem Zombie der sich als Hochzeits-Crasher entpuppt oder mit dem Bösen in Gestalt einer Vogelscheuche zu liefen. Ist das die intellektuell ansprechende Art und Weise in die Korb uns in die Tiefgründe der Kapitalismus-Kritik (seine eigenen Worte!) führen will? Falls ja, nehme ich mir seine letzten Worte zu Herzen und reiche sie an ihn zurück: What a pitty – Better luck next time!
 


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